Neue Recherche zeigt fehlerhafte Schweizer Zertifikate bei Fisch aus Westsahara

22.12.2025 | von terre des hommes schweiz

Uhr Lesezeit: 5 Minuten


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Fotograf: Elli Lorz

22.12.2025, Die Fischgründe im Atlantik vor der Küste Westsaharas sind (noch) reich. Das weckt viele Begehrlichkeiten. Ein neuer Bericht zeigt: Auch Schweizer Firmen zertifizieren Fischereiprodukte und Betriebe aus der von Marokko besetzten Westsahara als nachhaltig und veröffentlichen dabei fehlerhafte Herkunftsangaben – das täuscht Konsument*innen und legitimiert indirekt die Besetzung.


Die Organisation Western Sahara Resource Watch WSRW hat mehrere Firmen, die Fischereibetriebe oder -Produkte aus der besetzten Westsahara als „nachhaltig“ und „aus Marokko“ zertifizieren, untersucht. Der neue Bericht umfasst auch die Recherche zu den beiden Schweizer Firmen SGS und IQNET. terre des hommes schweiz ist in der Schweiz Ansprechstelle von Western Sahara Resource Watch.

So werden Konsument*innen getäuscht

Zwei Drittel der Westsahara sind seit 50 Jahren durch Marokko besetzt. Seit 1991 wartet das sahrauische Volk auf das damals versprochene Referendum über ihre Selbstbestimmung. Fischereiprodukte und -betriebe aus bzw. im besetzten Teil der Westsahara als „nachhaltig“ zu zertifizieren, ist daher ethisch bedenklich. Problematisch ist auch, dass die Herkunftsangaben der Produkte auf den Zertifikaten sicher oder mit größter Wahrscheinlichkeit falsch sind: Die Betriebe sind nicht in Marokko, sondern in der Westsahara angesiedelt, ein Teil der Produkte stammt aus den davorliegenden Gewässern. Die Zertifikate sind jedoch alle auf „Marokko“ ausgestellt, was nicht korrekt ist und nicht den offiziellen FAO-Fangzonen (Welternährungsorganisation der UN) entsprechen.

Seit 2015 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in zehn aufeinanderfolgenden Urteilen klargestellt: Das Gebiet der Westsahara ist ein von Marokko gesondertes Gebiet. Im letzten Urteil (2024) hat der EuGH explizit betont, dass bei Einfuhr und Verkauf von Waren aus der Westsahara als Herkunftsland ausschließlich „Westsahara“ anzugeben ist.

Auch in der Schweiz muss bei Herkunfts- und Ursprungsangaben für Zoll und Konsument*innen rechtlich zwischen Marokko und Westsahara unterschieden werden. Das Schweizer Zertifizierungsunternehmen SGS veröffentlicht aber fehlerhafte Informationen über MarinTrust-Zertifikate, die „verantwortungsvolle“ Fischereipraktiken nachweisen sollen.

Mit einem entsprechenden Zertifikat dürfen Produkte oder Betriebe für ein bis drei Jahre das Label MarinTrust tragen, bevor sie erneut geprüft werden. Diese Zertifizierungen sind aufgrund der dargelegten Gründe mindestens problematisch und nicht akzeptabel. Sie täuschen Konsument*innen und legitimieren indirekt die Besetzung der Westsahara durch Marokko.

Prüf-, Inspektions- und Zertifizierungsunternehmen SGS S.A.

Die Firma mit Hauptsitz in Genf bietet unter anderem Zertifizierungsdienste in diversen Sektoren an, darunter Lebensmittelsicherheit und Umweltschutz. Dadurch hat das Unternehmen wiederholt mit marokkanischen Industrien in der besetzten Westsahara zusammengearbeitet.

- 2022 zertifizierte die peruanische SGS-Tochtergesellschaft das Unternehmen Protein and Oil Industry mit dem MarinTrust Global Standard for Responsible Supply. Laut Zertifikat bezieht das Unternehmen seine Sardinen- und Döbelmakrelen aus Marokko. Die Firma ist jedoch in Dakhla, Westsahara, ansässig, 450 Kilometer südlich von Marokko.

- 2022 stellte die Tochtergesellschaft für das Unternehmen KB Fish SARL mit Sitz in El Aaiun, Westsahara, dasselbe Zertifikat aus. Wie die Recherche zeigt, sind darin ebenfalls Sardinen aus der FAO-Zone 34, Zentralzone B und Südzone C gelistet. Zone B umfasst Gewässer vor Marokko und der Westsahara, Zone C nur solche vor der Küste der Westsahara.

- 2024 erhielt auch das marokkanische Unternehmen CIBEL II das MarinTrust-Zertifikat und bezieht laut Angaben Sardinen aus der FAO-Zone 34, Südzone C. Diese Zone liegt jedoch in der Westsahara.

International Certification Network IQNET, Bern

Drei Fischerei-Firmen, die in der Westsahara und nicht in Marokko liegen, sind gemäß eigenen Angaben IQNET zertifiziert. Es ist davon auszugehen, dass die Zertifizierungen durch die Firma Quality Austria erfolgt ist, ein Mitglied des IQNET-Netzwerks.

- SOCOPO Maroc in El Aaiun führt auf seiner Website das IQNET-Logo zusammen mit dem Logo von Quality Austria auf. Laut Selbstbeschrieb befindet sich das Unternehmen in Marokko, wie bereits erwähnt liegt El Aiun aber in der Westsahara.

- Mogafish SARL hat auf einem Zertifikat diese beiden Logos sowie die geographische Angabe Dakhla, Marokko. Dakhla liegt in der Westsahara.

- Tisco COPELIT in Al Aaiun nennt auf einer Firmenverzeichnis-Seite ebenfalls IQNET zertifiziert zu sein.

Wer ist verantwortlich?

Sowohl SGS als auch IQNET wurden mehrfach von Western Sahara Resource Watch und terre des hommes schweiz zur Thematik kontaktiert. IQNET, Quality Austria und MarinTrust haben die Anfragen bis dato nicht beantwortet.

SGS antwortete WSRW, dem Netzwerkpartner von terre des hommes schweiz, Anfang Dezember 2025: Nicht sie, sondern MarinTrust sei zuständig für die Überprüfung der Herkunft bzw. Richtigkeit der Angaben des Antragsstellers zu den Fangzonen. SGS überprüfe lediglich „die Einhaltung der Anforderungen zur Rückverfolgbarkeit gemäß dem MarinTrust-Standard“. Weiter hält SGS in ihrer Antwort an WSRW fest: „Diese Überprüfung beinhaltet keine Feststellung politischer Grenzen von Fangzonen, lediglich die Bestätigung ihrer Übereinstimmung mit den FAO-Codes und den beschriebenen operativen Angaben im offiziellen, von MarinTrust genehmigten Antragsformular.“ Das Zertifikat zur bereits erwähnten Firma CIBEL II weist aber durchaus eine – allerdings falsche – Länderangabe aus.

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Quelle: terre des hommes schweiz, Pressemitteilung

Originalartikel publiziert auf: Neue Recherche zeigt fehlerhafte Schweizer Zertifikate bei Fisch aus Westsahara